Peter Renz: In der Welt zuhause, in Schramberg daheim
Bilanz nach 60 Jahren / Interview

Peter Renz, der Name ist in Schramberg und darüber hinaus weithin bekannt. Er ist ein Mäzen für viele kulturelle Angelegenheiten, war lange Jahre Motor in der Schramberger Einzelhändler-Szene und Ist aus der Fasnet nicht wegzudenken. Aber insbesondere seine Liebe zu Orientteppichen und seine Aktivitäten als “Händler“ – so heißt bekanntlich seine Autobiografie aus dem Jahr 2019 – haben für seine Bekanntheit gesorgt.
Schramberg. Nun will Renz auch seine Großhandelsfirma schließen. Die NRWZ sprach mit ihm über die Gründe und seine Erlebnisse in 60 Jahren als Kaufmann und Kenner des Orients.
NRWZ: Wir reden über eine lange Firmen- und Lebensgeschichte. Jetzt ist tatsächlich Schluss nach sechs Jahrzehnten. Im November möchten Sie Ihr Geschäft ganz aufgeben, die Firma stilllegen? Was war der Grund?
Peter Renz: Der Grund ist, dass wir nach der letzten Ausstellung im Herbst 2024 gesehen haben, dass wir einfach die Anforderungen, die ein solches Geschäft an uns stellt, nicht mehr bewältigen können, so schön die ganze Zeit war. Seit einigen Jahren war es ja nur noch der Großhandel.

Nur noch?
Natürlich haben wir immer wieder auch Ausstellungen gemacht. Ich hatte viele Kunden, die angefragt haben: ‚Kann ich nochmal zu Ihnen kommen? Haben Sie noch schöne Teppiche?‘ Klar haben wir dann diese Kunden bedient, und es war mehr, als wir gedacht haben. Aber jetzt ist einfach das Ende angesagt. Da muss ich einen glatten Strich machen und sagen, bei Renz Teppiche ist jetzt Ende und es gibt keine Teppiche mehr.
Nur noch Däumchen drehen – Peter Renz, das mag man nicht so recht glauben.
Ich werde natürlich noch, solange ich das kann, als vereidigter Sachverständiger für Teppiche und als Berater tätig sein. Ich werde im Mai nächstes Jahr 85, aber ich fühle mich noch nicht so arg zum Ruhestand verpflichtet.
Sie merken wohl auch, dass man nicht mehr so wie 55-Jähriger rumspringen kann?
Das merkt man an den Ersatzteilen, die man inzwischen eingebaut bekommen hat, und es fehlt manchmal eben die Energie.

Wie alles begann
Sie haben vor vielen Jahrzehnten angefangen mit dem Geschäft. Wie ging es los mit Peter Renz und Teppichen?
Das war vor 60 Jahren. Ich hatte meine sechs Jahre Ausbildung als Textilkaufmann und meine Bundeswehrzeit hinter mir und bin dann in Schramberg gewesen. Ich haben meinen Eltern den Vorschlag gemacht, ich würde ihr Geschäft übernehmen, obwohl meine Eltern mich nie dazu gezwungen oder überhaupt überreden wollten. Das war ein ganz freiwilliger Entschluss. Aber ich hatte schon damals im Hinterkopf, dieses Geschäft Einrichtungshaus Peter Renz, das meine Eltern sehr, sehr gut geführt haben, mit Orientteppichen neu zu beleben.
Ihre Jugend und Ausbildungszeit und Ihre Wanderjahre in Deutschland und nach Paris und wieder zurück waren ja recht bewegt?
Ja, das war eine Ausbildungszeit, aber es war auch eine stürmische Zeit.
Weltreisender in Sachen Teppiche
Später sind Sie weit gereist.
Meine ganze Zeit als Teppichmann war ich in so vielen Ländern von China, Indien, Pakistan, Nepal, Afghanistan, dem gesamten Orient, natürlich auch in Persien und Ägypten, Algerien, Rumänien. Ich war manchmal wochenlang unterwegs.

Sie waren nicht nur in Ihrem Geschäft, sondern haben auf der ganzen Welt viele, viele Menschen getroffen.
Richtig, und das Wichtigste waren Freunde, wie ich sie im Iran getroffen habe, im damaligen Persien. Ich war ja schon zur Schah-Zeit in Persien. Die Familie Miri, das sind echte Freunde von mir geworden. Mit dem Senior der Firma habe ich eine Teppichproduktion begonnen in Südpersien. Sie gilt bis heute als eine der angesagtesten Nomaden-Teppichprodukte. Leider kann das nicht mehr fortgesetzt werden, weil die Situation im Iran sich fundamental geändert hat.

Bei den Ländern, die Sie besucht haben, sind ja viele „schwierige“ Länder dabei, in denen das Reisen nicht so einfach war, oder?
Das Reisen war nicht einfach. Aber meine ganze Einstellung war, ich muss mich eben so verhalten, wie es im jeweiligen Land üblich war und nicht anders.

Trotz allem: Liebe zu Persien
Das ist einmal gründlich schief gegangen?
Ja, im Iran, ganz kurze Zeit nach der Revolution, habe mich nicht darangehalten und habe Kritik an einem aus der neuen Führung geübt. Ich bin dann im Gefängnis gelandet und hab‘ gesehen, dass es besser ist, man passt sich an und sagt die Meinung nur dann, wenn es möglich ist.
Wie war es im Gefängnis?
Das war keine lange Zeit, aber auch schon zwei Wochen sind ausreichend, um zu wissen, wie es da zugeht.
Sie bekamen kaum etwas zu essen, die hygienischen Verhältnisse waren unterirdisch.
Stimmt, ich habe viele Kilo abgenommen, aber das schlimmste war die Ungewissheit, ob man wieder rauskommt. Und danach die ganze Prozedur, sich wieder aufs Normale zu konzentrieren
Sie sind dennoch immer wieder in den Iran gereist?
Ja, aber um wieder ein freundschaftliches und auch wohlwollendes Verhältnis zu dem Land zu haben, brauchte einige Zeit.

Iran, Persien das ist d a s Teppichland. Jetzt herrschen dort so schlimme Verhältnisse, wie geht man damit um?
Persien und jetzt Republik Iran ist wirklich das Mutterland der Orientteppiche. Für mich war es auch immer das wichtigste Reiseland. Es gibt durch die politischen Verhältnisse und die Sanktionen das Problem, dass die Knüpfer kein Geld verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Mullah-Regierung schützt zum Beispiel die Nomaden weniger. Die freilebenden Nomaden, von denen wir die schönsten Teppiche gerade aus Südpersien bekommen haben, sind der Regierung oftmals ein Dorn im Auge, weil sie eben sich nicht so treu verhalten, wie die Mullahs das wollen.
Das sind freilebende Nomaden, auch der Schah hat schon mit denen ihre seine Probleme gehabt, aber es wird halt in Zukunft noch schlimmer werden, wenn wir keine Aufträge mehr lancieren können.
Da geht es auch um Existenzen?
Wir haben in den Jahren, in denen ich immer zuständig war für den Teppich-Import, immer Vorauszahlungen geleistet für die Wolle und auch für die Knüpflöhne. Das ist alles nicht mehr möglich seit Jahren. Der Export der Teppiche nach Europa, nach Deutschland, ist praktisch total untersagt.

Immer wieder dazu gelernt
Sie sind auch Teppichexperte. Sie beurteilen, ob ein Teppich ’ne Fälschung ist oder wirklich alt ist und was er wert ist. Wie wird man zum Teppichexperten?
Für mich war das einfach in der Folge meiner Reisen. Aber natürlich hatte ich auch das Glück, meine erste Reise mit dem größten Fachmann damals für Orientteppiche, Horst Engelhardt aus Mannheim, zu unternehmen. Ich hab‘ zugehört, gesehen, gelernt und immer wieder durch das neue Erkennen von Teppichen mein Wissen erweitert. Auch durch meine Sachverständigentätigkeit, bei der ich immer konfrontiert worden bin mit neuen Teppichen, habe ich dazugelernt und natürlich mit dem Studium von Büchern. Ich kann sagen, dass ich bis heute nicht ausgelernt habe. Aber ich kann schon eine fundierte Beurteilung machen, die auch vor Gericht immer gut beurteilt wurde.
Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht im beruflichen Leben?
Für mich war das Einkaufen natürlich eine tolle Sache. Aber das Verkaufen und nachher zu sehen, wenn schöne Teppiche beim Kunden waren, die das gewürdigt haben, die mir gesagt haben: „Herr Renz, ich habe von Ihnen einen Teppich und jeden Tag, wenn ich in mein Zimmer komme, erfreue ich mich daran“ – Das ist eine Genugtuung und die konnte ich sehr, sehr oft erleben.

Radius weit über Schramberg
Wenn man die Qualität der Renz-Teppiche anguckt und Ihre Expertise, dann könnte man sagen, so ein Geschäft gehört nach Stuttgart, nach München oder Hamburg. Aber Sie sind in diesem kleinen Städtchen geblieben? Warum?
Mein Motto war immer: In der ganzen Welt zu Hause, aber in Schramberg daheim. Für mich war das wichtig, denn ich konnte mich immer hier zurückziehen. Wenn man die Möglichkeit hat, von einem Ort der Erholung, wie eben im Schwarzwald, immer wieder neue Ruhe und Erholung zu bekommen, dann kann man auch diese anstrengenden Reisen besser bewältigen. Mein Radius hat sich von Schramberg über ganz Deutschland und auch nach Frankreich, England und die Schweiz gezogen. Es war nicht so, dass ich irgendwo das Gefühl hatte, ich bin hier isoliert.
Die Leute sind von weither nach Schramberg gekommen?
Ich habe viele Ausstellungen gemacht, und es hat sich gezeigt, dass ich für Schramberg auch hier ein gewisser Magnet war.

In diesen 60 Jahren, in denen Sie in Schramberg aktiv waren, haben Sie auch die Kommunalpolitik miterlebt und teilweise über den Handels- und Gewerbeverein Einfluss genommen. Was sollten die Schramberger in den nächsten Jahren machen, um den Einzelhandel zu halten?
Wenn ein Laden leer stand, habe ich immer sofort den Laden angemietet und mit Teppichen das Schaufenster dekoriert. Ich bin oftmals etwas spöttisch angesprochen worden, ‚der Renz, der macht ja in jedem Laden irgendwas‘. Es war für mich nie ein kommerzieller Gewinn, sondern ich mochte ncht sehen, dass etwas leer steht.
Leerstand ist für eine Stadt schwierig?
Deswegen sollten wir versuchen, so gut wie möglich unsere Stadt zu beleben, auch mit Geschäften, die von der Dekoration her ein Einkaufsbummel wieder attraktiv machen.
Auflösungsverkauf steht an
Jetzt steht also das Ende Ihres Großhandels bevor. Was wird es da für die Kunden zu sehen und zu kaufen geben?
Ich habe noch ein großes Lager. Dieses Lager ist entstanden, weil ich nie meine Bestellungen storniert habe, wie viele anderen das gemacht haben. Ich habe meine Ware, die über Jahre auch geknüpft worden ist, abgenommen. Ich habe ein Lager mit Unikaten und authentischen Teppichen. Die werde ich jetzt anbieten.
Was unterscheidet Ihren Auflösungsverkauf von anderen?
Wenn man das richtig und fair macht, ist das eine Sache, bei der die Kunden gewinnen, weil die Preise eben sehr, sehr niedrig sind. Sonst kann ich mein Lager in so kurzer Zeit von vier Wochen nicht auflösen. Ein Verlust für mich, ein Gewinn eben für die, die kaufen.

Danach möchten Sie nur noch als Experte arbeiten, aber nicht mehr als Händler. Ist es zu schaffen für jemanden, der ein Buch schreibt, „der Händler“?
Das wird bestimmt zu schaffen sein, weil ich auch dann kein Lager mehr habe. Ich werde natürlich noch etwas fiebern, wenn ich irgendwelche schönen Teppiche sehe. Aber ich werde mich dann beherrschen und sagen, schön war die Zeit, jetzt ist Ende.
Und es bleibt immer noch der Fasnetsamstagmorgen beim Seckelesgäulesorden, wo Sie was verkaufen können?
Ja, aber eben keine Teppiche, sondern Fastnachtssachen. Und die Fastnacht besteht nur nicht nur aus dem Fastnachtssamstag, sondern ich hoffe, dass ich in der ganzen Zeit immer mitmachen kann.
Das hoffen wir auch.

Das Gespräch führte Martin Himmelheber
Info: Peter Renz (in Zusammenarbeit mit Daniel Oliver Bachmann): Der Händler – Knotenpunkte meines Lebens, Gmeiner Verlag, 263 Seiten, 24 Euro.